Zeit der Heilung und des Neuanfangs
Trauer ist ein unausweichlicher Teil unseres Lebens. Wir alle werden irgendwann mit dem Verlust von geliebten Menschen, Beziehungen oder Lebensphasen konfrontiert. Und oft ist es gerade der Herbst und Allerheiligen, die uns an eine vergangene oder aktuelle Trauerphase erinnert.
In Momenten eines Verlustes fühlen wir uns geschockt, verletzlich und überwältigt. Und dennoch bedeutet Trauer nicht das Ende. Sie kann der Anfang einer Reise sein, die zu Heilung, Resilienz und einem neuen, hoffnungsvollen Kapitel in unserem Leben führt.
Trauerphasen nach Verena Kast
Die Schweizer Psychologin Verena Kast beschreibt in ihrem Buch über Trauer vier Phasen, die uns Hoffnung und Ermutigung geben können:
Erste Phase: Das Leugnen der Realität
Wenn wir mit dem Verlust eines geliebten Menschen konfrontiert werden, wird es zunächst einen Schock auslösen. Wir können und wollen es einfach nicht glauben und weigern uns, die Wahrheit anzuerkennen, selbst wenn wir den Tod miterlebt haben. In dieser Phase fühlen wir uns oft taub und leer. Es ist entscheidend, in dieser Zeit Unterstützung von Menschen zu erhalten, die uns helfen, den Alltag zu bewältigen. Diese Hilfe bedeutet jedoch nicht, dass wir entmündigt werden, sondern dass wir in unserem eigenen Tempo trauern dürfen. Es ist in Ordnung, unsere Gefühle auszudrücken und vor allem auch zu weinen.
Zweite Phase: Die Welle der Emotionen
Wut kann und wird in dieser zweiten Phase aufkommen, und manchmal richten sich diese Emotionen gegen Ärzte oder Angehörige. Schuldgefühle können auftauchen, und ungelöste Konflikte mit dem Verstorbenen werden spürbar. Gleichzeitig werden auch schöne Erinnerungen an die gemeinsame Zeit auftauchen. Diese aufkommenden Emotionen sind völlig normal und sollten von unseren Unterstützern ernst genommen werden. In dieser Phase ist es hilfreich, dass die begleitenden Personen zuhören, ohne uns ihre eigenen Ansichten aufzuzwingen. Verena Kast betont, dass dieses Gefühlschaos ein Zeichen für Veränderung ist, in dem Altes verschwindet und Neues entstehen kann.
Dritte Phase: Das Suchen und die Loslösung
Häufig spüren Menschen in dieser Phase immer noch die Anwesenheit des Verstorbenen. Sie haben eine Art inneren Dialog und übernehmen sogar Gewohnheiten oder Aufgaben, die der Verstorbene früher erledigt hat. Wenn der Tod plötzlich und unerwartet kam, können Fantasien über das Überleben des geliebten Menschen lange anhalten. Es ist wichtig, sich mit der Beziehung und den gemeinsamen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Diese Phase des Suchens und Loslassens ist ein ständiges Auf und Ab und wird von Phasen tiefer Verzweiflung begleitet. Verena Kast weist darauf hin, dass die Intensität dieser Suche nachlässt, je mehr wir unsere chaotischen Emotionen ausdrücken können und je mehr wir verstehen, dass das Finden nicht nur im Äußeren, sondern auch im Inneren stattfindet. Es geht um das Entdecken von Möglichkeiten, die in uns stecken und durch die Beziehung entstanden sind.
Vierte Phase: Das Neue Selbst und die Neue Welt
Wenn die Phase des Suchens und Loslassens fortgeschritten ist und der Tod nicht mehr unsere gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, können wir zu einem neuen Selbst- und Weltverständnis gelangen. Der Verstorbene wird zu einem inneren Begleiter, dessen Bild sich wandeln darf.
Wir erkennen, dass wir vieles, was wir in der Beziehung erlebt haben, nun anders leben können. Neue Lebensmuster entstehen, und wir gewinnen an Selbstachtung und Selbstvertrauen. Auch in dieser Phase können Rückfälle auftreten, wenn wir mit weiteren Verlusten oder Herausforderungen konfrontiert werden.
Um Trauerarbeit erfolgreich zu bewältigen, ist die Akzeptanz von Tod und Trauer sowohl von uns selbst als auch von unserer Umgebung entscheidend. Wir müssen die schmerzhafte Verzweiflung als Teil unserer Lebenssituation akzeptieren. Wenn dies geschieht, kann die Trauer Raum finden und letztendlich zu stärkenden neuen, stärkenden Lebensmustern führen.
Wichtig ist mir hier noch zu erwähnen, dass jeder Mensch auf seine ganz persönliche Weise trauert und die Phasen nicht unbedingt im erwähnten Ablauf stattfinden müssen. Vielmehr ist es ein auf und ab, ein hin- und her geworfen werden zwischen den unterschiedlichen Emotionen. Das Modell ermutigt uns aber zu verstehen, dass die Trauer nicht das Ende bedeutet. Vielmehr wird sie uns mit der Zeit zu gereifteren Persönlichkeiten werden lassen.
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